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Lesben*­gruppe der HOSI Wien feiert ihren 40er – Teil 2

Lesung von Kaśka Bryla

Kaśka Bryla, ist in Wien geboren, zwischen Wien und Warschau aufgewachsen. Auf meine Frage, warum eigentlich in ihren Biografien nie nähere Angaben zu ihrem Alter zu finden sind, antwortete sie: „Eigentlich ist das Alter irrelevant“, dem konnte ich nur zustimmen und somit beließ ich es ebenfalls dabei. Sie studierte Volkswirtschaft in Wien, sowie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, wo sie 2015 die Literaturzeitschrift und das Autor*innennetzwerk PS-Politisch Schreiben mitbegründete. Kaśka war auch einige Zeit Redakteurin des feministischen Monatsmagazins an.schläge. Sie erhielt 2013 das STARTStipendium (Zur Förderung junger österreichischer Autorinnen und Autoren (Prosa, Lyrik und Essay)), mit dem sie an ihrem ersten bzw. zweiten Buch arbeiten konnte, und 2018 bekam sie den Exil Preis für Prosa.

Lesung Kaśka Bryla, 2. November, (rechts Barbara Fröhlich). Foto: Petra Paul
Lesung Kaśka Bryla, 2. November, (rechts Barbara Fröhlich). Foto: Petra Paul

Seit 2016 gibt sie Kurse zu Kreativem Schreiben in Männergefängnissen. Dazu Kaśka: Ich möchte gerne die Vorstellungsgabe animieren – es sollen andere Zukunftsperspektiven angedacht werden. Gefängnis ist ja auch immer ein Klassenproblem. Es finden sich überproportional viele Menschen der unteren sozialen Schichten, der sozial ausgegrenzten unter den Insassen. Ihnen möchte ich mit den Schreibkursen eine andere Perspektive als jene, in der sie sich gerade befinden, mitgeben.

Auch für Migrantinnen gibt sie Workshops in Kreativem Schreiben. Auch hier ein ähnlicher Ansatz. Kaśka: „Schreiben als Aufzeigen des Möglichen“.

Dass für Kaśka das politische Schreiben ein großes Anliegen ist, lässt sich auch in ihrem Debütroman „Roter Affe“ (2020, Residenzverlag) gut erkennen. Mania (Myra ) ist queer, ihre Freundin Ruth eine Hackerin, Syrer Zahid, Flüchtling. Kaśka: „Ich versuche in meinen Romanen das gesellschaftlich Besondere allgemein zu machen ohne es zu thematisieren“. „Ich fühle mich motiviert, Bücher zu schreiben, die ich als Jugendliche gerne gelesen hätte, die aber nicht verfügbar waren“. Meine Frage betreffend zukünftiger Werke beantwortet mir Kaśka: „Am 1. März 2022 erscheint mein zweiter Roman „Die Eistaucher“ ebenfalls im Residenz Verlag“.

„Sichtbarkeit von Lesben“

Podiumsdiskussion „SICHTBAR“, 10. November. Foto: Petra Paul
Podiumsdiskussion „SICHTBAR“, 10. November. Foto: Petra Paul

Die 40-Jahr Feierlichkeiten der HOSI Wien Lesbengruppe standen alle unter dem Motto „Sichtbarkeit“, so auch diese Podiumsdiskussion am 10. November mit Hanna Hacker (Universität Wien, Mitbegründerin STICHWORT – Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung), Susanne Hochreiter (Universität Wien, mit Schwerpunkten unter anderen auf Literatur von Frauen*, Gender und Queer Theorien) und Tatjana Gabrielli (stv. Bundesvorsitzende und Bundesfrauensprecherin der SoHo). Hanna Hacker stellte aber gleich zu Beginn der Diskussion den Begriff „Sichtbarkeit“ in Frage und meinte, sie hat lieber den Ausdruck Wahrnehmbarkeit – dieser ginge über die visuelle Sichtbarkeit hinaus. Susanne Hochreiter meinte, auch nach all den Jahren lesbischen Aktionismus fehle es noch immer an Sichtbarkeit, selbst innerhalb der Community. Tatjana Gabrielli hob hervor, dass es vor allem für Lesben im ländlichen Raum noch immer schwierig ist, sich zu outen – auch hier fehlen sichtbar und unmittelbar lesbische Vorbilder.

Der Abend war sehr gut besucht und das Publikum wurde auch anschließend zur offenen Diskussion eingeladen. Die Frage ob „women only“ Räumen in unserer diversen queeren Community noch Sinn machen wurde gerade von jungen Besucherinnen für mich nun erstaunlich doch mit einem eindeutigen „ja“ beantwortet. Die Möglichkeit eines women only Raumes soll es auch in Zukunft geben.

Lesung von Rhonda D’Vine

Rhonda D'Vine. Foto Petra Paul
Rhonda D’Vine. Foto Petra Paul

Rhonda hat unserer Ausstellung einen wunderbaren Satz gewidmet: „In einer Welt, die uns sagt, wir sollten nicht existieren, ist es radikal, bewusst sichtbar zu sein“. In diesem Sinne war auch der Text ihrer Lesung am 17. November mit dem Titel „2019/2020“.

Es ging darum, wie Körperlichkeit von außen wahrgenommen wird. Die alltägliche Auseinandersetzung, mit einer Gesellschaft, die nur in beschränkten Kategorien denkt. Was es zum Beispiel bedeutet im Sommer in ein Bad zu gehen und ihren Körper in Badekleidung zu zeigen. Rhonda schilderte sehr emotional wie viel Überwindung es sie kostete, sich in Badekleidung der Öffentlichkeit preiszugeben. Etwas, das für alle selbstverständlich sein sollte war für Rhonda eine große seelische Herausforderung. Der Text arbeitet sehr fein heraus, dass wir noch immer in einer Gesellschaft leben, die auch im 21. Jahrhundert trotz all der Aufklärung, all dem technischen Fortschritt nicht in der Lage ist, über die eigenen Grenzen hinweg zu sehen und zu akzeptieren.

Dieser sehr bewegende Text veranlasste einige Besucherinnen nach der Lesung auch zu einer sehr anregenden und interessanten Diskussion. Dabei ging es vor allem darum, dass unsere Gesellschaft den Schritt von Toleranz zu wertefreier Akzeptanz noch nicht geschafft hat.

Von Barbara Fröhlich

Names Project Wien