Die Pride war immer schon zweierlei: Kampf- und Feiertag zugleich. Wir kämpfen für unsere Vielfalt und feiern sie zugleich.
Eine Vielfalt, die durch viele starke Mitstreiter*innen von Jahr zu Jahr bunter geworden ist. Wir feiern die Lebensfreude unserer Community, unsere Kultur und die Vielfalt queeren Lebens. Neben dem bunten und gut gelaunten Feiern ist die Regenbogenparade vor allem ein Ort des politischen Kampfes. An diesem Tag rückt die ganze Community, trotz aller Differenzen, zusammen. Wir rücken Probleme, die noch existieren, ins Zentrum und kommunizieren sie lautstark nach außen. Neben den aktuellen Kämpfen ist die Zeit der Pride auch eine Zeit des Gedenkens. Wir gedenken den Siegen unserer Community, von der Strafrechtsreform bis zur Eheöffnung, wir gedenken den Menschen, die wir auf dem Weg verloren haben, durch Gewalt, Verfolgung, gesellschaftlichen Druck und nicht zuletzt die Immunschwächekrankheit AIDS. Den alljährlichen Höhepunkt findet diese Tradition im Moment des Gedenkens, dem Moment an dem hunderttausende bunte, laute, stolze Menschen am Ring einen Moment innehalten. Einer der wichtigsten und schönsten Momente des LGBTIQ-Jahres. Gedenken ist ein wichtiger Teil der Arbeit der HOSI Wien, egal ob Names-project, Antifaschistisches Komitee oder Regenbogenparade, der Blick zurück ist essentiell für den Aktivismus von morgen.
Selbstverständlich nehmen wir deshalb auch jedes Jahr an der Befreiungsfeier in Mauthausen teil, der einen Veranstaltung in Österreich an der parteiübergreifend demokratische Kräfte der Überwindung des Nazi-Faschismus gedenken. Es war sicher keine einfache Aufgabe während einer globalen Pandemie eine würdige und sichere Gedenkfeier abzuhalten. Dennoch hat das Mauthausenkomitee diese Herausforderung gemeistert. Trotzdem gibt es einen besorgniserregenden Wermutstropfen. Kein einziges türkises Regierungsmitglied hat heuer das offizielle Österreich vertreten. Gerade dieser Tage, in denen vor Antisemitismus strotzende Verschwörungstheorien grassieren und auf einer Demonstration in Mauthausen eine Hitlerrede abgespielt wird, hat das Gedenken besondere Brisanz. Angesichts dessen war das Fernbleiben von Kurz und Co. ein Schlag ins Gesicht aller Teilnehmer*innen. Ich habe es zunächst für einen wirklich miesen und geschmacklosen Schachzug der Türkisen gehalten. Als dann der ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg versucht hat, die Befreiungsfeier als parteipolitische Veranstaltung zu diskreditieren, war es genug. Die aktuelle ÖVP-Führung zeigt damit offen ihre Verachtung für die politische Gedenkkultur dieses Landes und schadet dem Ansehen Österreichs in der Welt.
Wir wollen den Pride-Monat nicht mit Bitterkeit begehen, aber eine gute Ladung Wut schadet unserem Kampf sicher nicht. Lasst uns nicht vergessen, wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Wir kämpfen in einer stolzen Tradition für ein besseres Leben für alle. Das heißt: Entweder überwindet die ÖVP ihre strukturelle LGBTIQ-Feindlichkeit, oder wir überwinden die ÖVP. In diesem Sinne wünsche ich allen Leser*innen eine wunderschöne Regenbogenparade. Happy Pride. Stay Safe. Stay Proud.