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Vieles doch nicht so anders zur 25. Regenbogenparade

Ich sage es, wie’s ist: Ich freu‘ mich auf das Comeback von Vienna Pride. Klar, es wird diesmal etwas eingeschränkt – aber was soll’s? Das depperte Virus ist immer noch da, also passen wir nach wie vor auf uns und andere auf. Diesmal also ohne Pride Village, große Indoor-Veranstaltungen und Musik-Trucks auf der Regenbogenparade, dafür mit Sicherheitsmaßnahmen wie FFP2-Masken und 2-Meter-Abständen.

Zurück zu den Wurzeln!

Dass ausgerechnet die 25. Wiener Regenbogenparade so reduziert ist, dass nur eine Teilnahme zu Fuß bzw. auf dem Fahrrad möglich ist, finden viele schade. Mir ging es zuerst auch so. Aber inzwischen denke ich: Eigentlich passt es doch perfekt, dass wir zum halbrunden Jubiläum zurück zu unseren Wurzeln finden. Bei der ersten Parade 1996 wusste man ja nicht einmal, wie viele überhaupt kommen würden. Da konnte man von der ausgelassenen Atmosphäre, die sie heute kennzeichnet, nur träumen. Im Grunde ist es eine Hommage an jene, die uns den Weg bereitet haben – und die gute Stimmung kriegen wir auch so hin!

Apropos ausgelassene Atmosphäre: Die führt ja regelmäßig zur Diskussion, sowas wäre doch keine Demo. Das Gegenteil ist der Fall. Erstens: Wo steht bitte geschrieben, dass man nur grantig demonstrieren dürfe? Zweitens: Gerade die Fröhlichkeit, dieses Feiern unseres Lebens, offen und ohne Scham, ist ein zutiefst politischer Akt für eine Community, deren Mitglieder sich oft über Jahre hinweg verstecken mussten. Drittens: Mit Honig fängt man mehr Fliegen als mit Essig. Dank der Atmosphäre ist es im Lauf der Jahre auch für immer mehr Nicht-LGBTIQ-Menschen normal geworden, zumindest mal bei der Regenbogenparade vorbeizuschauen. Und mag so manches Kostüm (oder dessen Spärlichkeit) auch den*die eine*n oder andere*n im ersten Moment irritieren, so sorgt die Gesamtstimmung doch für eines: Man hat Lust, dabei zu sein. Und das ist entscheidend, denn für marginalisierte Gruppen wie uns gibt es fast nichts Wichtigeres, als dass die Mehrheitsgesellschaft schrittweise draufkommt, dass wir doch nicht so anders sind.

Pinkwashing oder echtes Engagement?

Mit dabei sein wollen heute immer mehr. Neben der treuen Unterstützung durch die Stadt Wien kamen in den letzten Jahren immer mehr Unternehmen als Kooperationspartner dazu. Das war für uns nicht immer leicht, denn die Pride ist in erster Linie eine Veranstaltung der LGBTIQ-Community – und als deren Organisator*innen ist es uns wichtig, dass es auch wirklich um die Inhalte geht. Also haben wir uns genau angeschaut: Tun diese Unternehmen etwas für ihre LGBTIQ-Mitarbeiter*innen? Oder haben sie Filial- bzw. Produktdesigns, die in ganz Österreich noch im abgelegensten Dorf Menschen erreichen, zu denen wir mit der Pride nicht hinkämen? Oder organisieren sie selbst Veranstaltungen zur Pride, von der die Community etwas hat? Nicht alle haben verstanden, dass es um mehr geht als ein paar Werbe-Euro, deshalb haben wir schon die eine oder andere Kooperation abgelehnt.

Die heurige Pride wird zwangsläufig eine, bei der wir mehr denn je zuvor auf jene Unterstützer*innen angewiesen sind, die es wirklich ernst meinen mit ihrem Engagement für unsere Sache. Natürlich wird es weniger sein, und betriebswirtschaftlich ist das auch verständlich. Aber umso mehr werden wir als Community jene zu schätzen wissen, die es sich selbst bei reduzierten Werbeflächen nicht nehmen lassen, uns zu wirklich unterstützen.

Stay safe, stay proud – das können nicht alle

Damit noch ein paar Gedanken zum Motto. Das lautet diesmal: „Stay safe, stay proud!“ Denn beides ist wichtig, solange wir noch keine Herdenimmunität gegen COVID-19 haben. Aber wir sollten nicht vergessen, dass viele LGBTIQ-Menschen überhaupt nicht „safe“ sind. Von Jugendlichen, die sich (noch) nicht trauen, sich zu outen, über LGBTIQ-Flüchtlinge, die mit Menschen aus ihren Herkunftsländern gemeinsam untergebracht sind, vor deren Einstellung sie ja oft erst geflüchtet sind, bis hin zu all jenen, die sich in ihrem LGBTIQ-feindlichen Arbeitsumfeld über Jahr(zehnt)e hinweg verstecken müssen. Für die werden wir mitdemonstrieren. Umso lauter, umso bunter, umso fröhlicher, und das zum 25. Mal!

Von Moritz Yvon

HOSI Wien Vereinssekretär, früherer Obmann HOSI-Wien
Foto: Matt Observe