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Pride!

Nicht mehr schweigen wollen, sich nicht mehr selbst verleugnen und ein selbstbestimmtes Leben führen!

Ich bin Inter! Intergeschlechtlichkeit ist ein Umbrella-Begriff für Menschen mit Variationen der Geschlechtsmerkmale, wie interne und/oder externe Geschlechtsorgane, Gonaden, Hormonspiegel, Chromosomen oder Kombinationen aus den Genannten. Die Natur ist nicht nur schwarz und weiß, sie ist bunt! Die Natur liebt die Vielfalt und genauso vielfältig sind auch unsere Körper!

Meine Teenagerjahre waren eine spezielle Herausforderung für mich, ich kam in keine Pubertät. Die Menschen in meinem Umfeld und in der Schule veränderten sich, ich nicht. Sie entdeckten mit Begeisterung ihre Körper und ihre Sexualität. Für mich war vorrangig, warum sich mein Körper nicht veränderte.

Den Verdacht hatte ich schon seit Jahrzehnten, aber erst vor kurzem erhielt ich die medizinische Diagnose meiner Art der Intergeschlechtlichkeit. Jedoch fingen die Probleme für mich dann erst an. Da mein Körper keine Sexualhormone produziert, meinte mein Arzt ich habe Testosteron zu nehmen und dann werde alles gut! Ich machte ihm verständlich, dass wenn ich schon Hormone einnehmen sollte, dann nur Östrogen. Darauf kam nur die Aussage „Machen Sie sich doch nicht noch mehr zum Freak, als Sie eh schon sind!“ Und „versuchen Sie doch Testosteron mal für ein paar Monate, Sie werden budern und es wird Ihnen gefallen und Sie werden glücklich sein!“ Ich lehnte dankend ab.

Im Nachhinein bin ich froh, dass ich nicht in meiner Kindheit oder Pubertät die Diagnose erhielt, denn damals hätte ich mich nicht gegen die Behandlungsempfehlungen (operativer oder hormoneller Art) wehren können. In der Zwischenzeit habe ich das Wissen und vor allem das Selbstbewusstsein, einem Arzt zu widersprechen!

Es ist unser Körper und unsere Entscheidung wann, welche und ob überhaupt eine Behandlung erfolgen soll!

Ich begann mit Menschen in meinem Umfeld offen über Intergeschlechtlichkeit zu sprechen und merkte schnell, dass nur die wenigsten davon schon mal etwas gehört haben. Es ist ein Gespräch, das halt auch nicht zwischen Tür-und-Angel zu führen ist. Es bedarf Zeit hierfür, da die Auswirkungen und die Rolle der Medizin so enorm sind. Reaktionen von Personen, die leider auch immer wieder passieren, sind „ich bin eine Person die offen für solche Dinge ist, aber du solltest vorsichtig sein, wem du deine Geschichte erzählst“ oder noch besser, „Das ist doch kein Thema, das man in die Öffentlichkeit trägt!“ Da zeigt sich die Tabuisierung dieses Themas, die besonders seit den 1950er Jahren entstanden ist, als mit operativen Eingriffen begonnen wurden und Ärzte den Eltern angeraten haben das Thema den Kindern und dem Umfeld gegenüber zu verheimlichen. Das hat ganz massive Folgen für uns intergeschlechtliche Menschen gehabt und hat es leider immer noch!

Inter-Falg
Inter-Flag (© NOBNOBs Victoria-Manaia Putick)

Wo ist die Grenze zwischen Interesse und jemanden in Bedrängnis bringen?

Da ich mich außerhalb der Binarität von Frau und Mann verstehe, habe ich einen alternativen Geschlechtseintrag gewählt. Dies ist leider nach derzeitigem Stand nur in Reisepass, Personalausweis und Geburtsurkunde ersichtlich, hierfür werden die Daten vom ZPR (Zentrales Personenregister) abgefragt. Für alle anderen Informationen werden, ob das jetzt das Wählerregister, Firmenbuch, Finanzamt, Sozialversicherung oder sonst eine staatliche Behörde oder Institution ist, die Daten vom ZMR (Zentrales Melderegister) abgefragt – in diesem besteht derzeit nur die Möglichkeit „Frau“ oder „Mann“ auszuwählen.

So bleibt mir nichts anderes übrig, als die Menschen, die mit mir in Kontakt kommen, darauf aufmerksam zu machen, dass ich einfach nur mit Vor- und Zunamen und nicht mit irgendeiner Art von Geschlechtsbezeichnung angesprochen werde möchte!

Ich schreibe dies aus gegebenem Anlass: Ich hatte unlängst eine Behandlung in einer medizinischen Einrichtung, wo ich meine Bitte „der Art und Weise mich anzusprechen“ direkt bei der Anmeldung deponierte. Es wurde zur Kenntnis genommen und ich freute mich, dass es manchmal doch auch so unkompliziert sein kann!

Jedoch in der Behandlung kam dann die Person von der Anmeldung wieder auf mich zu. Sie nahm sich einen Stuhl und machte die Tür zu, ich wusste sofort was jetzt kommt. Sie begann direkte Fragen zu stellen: Welchem Geschlecht wurde ich bei der Geburt zugewiesen, oder „Wie fühlt man sich, wenn man intergeschlechtlich ist?“ und einiges mehr. Ich versuchte dieser Person Rede und Antwort zu stehen. Auf die Frage, wie ich mich als Inter-Person fühle, drehte ich den Spieß um und fragte, wie sich die Person in Ihrem Geschlecht fühle?

Nur war das kein Gespräch, sondern hatte eher den Charakter eines Verhöres – vor allem für mich in einer Situation, wo ich nicht einfach gehen konnte, wenn es mir zu viel wird. Ich war ja für eine geplante Behandlung dort, die dann auch zum Glück schon startete. Bei der nächsten Gelegenheit sprach ich ganz konkret die Person an und versuchte ihr klar zu machen, dass diese Art und Weise der Informationsgewinnung nicht angebracht ist! Die Person war äußerst irritiert und meinte nur „sie hätte doch das Recht Fragen zu stellen“, die befragte Person habe doch die Möglichkeit nicht zu antworten! Ich verneinte. Die Person wurde zunehmend ungehemmter und forderte das Recht ihrer Neugierbefriedigung für sich ein. Ich widersprach ihr nochmals und mit Nachdruck, dass das nicht in Ordnung sei. Wenn ich etwas sage, erzähle oder erkläre, ist dass das eine, denn es geschieht ohne Druck und aus freien Stücken. Aber wenn mich eine Person aktiv ausfragt und vor allem auch noch nicht mal aussprechen lässt, dann ist das nicht ok! Und noch viel weniger in einem medizinischen Setting, da leider sehr viele Inter-Personen ein ganz schwieriges Verhältnis mit medizinischen Einrichtungen und den Menschen, die dort arbeiten, haben, auf Grund von nicht selbstbestimmten Behandlungen wie Operationen im Kindesalter oder auch „nur“ ungefragter hormoneller Behandlungen oder ähnlichem!

Sie ist eine angestellte Person in einer Gesundheitseinrichtung und ich bin hier für eine Behandlung, und genau in diesem Setting hat die Person kein und wirklich kein Recht, solche Fragen zu stellen!

Ich verwies auf die Möglichkeit von Workshops von VIMÖ, an denen Personen aus allen gesellschaftlichen und beruflichen Bereichen teilnehmen können. Bei diesen Workshops besteht auch immer in weiterer Folge die Möglichkeit, direkt an die vortragenden Personen Fragen zu stellen.

Mein Fazit: Es ist schön, wenn Menschen Interesse haben und Neues lernen oder erfahren möchten. Aber es ist vollkommen inakzeptabel, wenn es auf diese Art und Weise passiert und vor allem als selbstverständlich eingefordert wird!

Pride! Stolz und selbstbewusst zu sein, für sich selbst und andere einstehen! Auf Missstände in unserer Politik und Gesellschaft aufmerksam machen!

Wir sind hier! Wir sind schön! Wir sind kreativ! Wir sind die Vielfalt, die eine Gesellschaft ausmacht!

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VIMÖ
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Von Victoria-Manaia Putick

Lambda Autor*in, NOBNOB Wien