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Editorial

Queere Räume

Liebe*r Leser*in,

Queere Räume, deren Schaffung, Erhalt und Verwaltung sind eine der Kernkompetenzen der HOSI Wien. Ganz konkret schaffen wir tagtäglich mit dem Gugg und einmal jährlich mit dem Pride Village zwei der wichtigsten queeren Räume der Stadt.

Queere Orte schützen. Die Entwicklungen der HOSI-Räumlichkeiten sind kein Zufall und sind auch symbolisch für den Weg, den die LGBTIQ Community seit Gründung der HOSI Wien gegangen ist. Fast seit ihrer Gründung unterhält die HOSI Wien ein Vereinszentrum, also einen queeren Space. Ab 1980 hat unser Vereinslokal in der Novaragasse diesen Zweck erfüllt. In den 80ern und 90ern war es passend ein diskretes Kellerlokal zu beziehen. Von außen nicht einsehbar, aber gemütlich und voller queerer Kultur, war die Novaragasse genau das, was gebraucht wurde: Ein sicherer Hafen gegen die diskriminierende und bisweilen hasserfüllte Gesellschaft. Die hart erkämpften rechtlichen und gesellschaftlichen Verbesserungen machten ab der Jahrtausendwende queeres Leben öffentlicher als je zuvor und somit war auch eine räumliche Veränderung für die HOSI notwendig. Wir wollten uns nicht länger verstecken, sondern ein offenes, helles und im öffentlichen Raum unübersehbares Vereinszentrum. Mit der Eröffnung des Gugg 2011 hat sich diese Vision manifestiert. Seither ist das Gugg einer der wenigen nicht kommerziellen Räume für queere Menschen in Wien.

Queere Orte sind dynamisch. Der Schritt hat sich gelohnt, alle Angebote der HOSI Wien wachsen seither, werden immer erfolgreicher und neue Projekte kommen hinzu. Die Zahl der jungen Leute am donnerstäglichen Jugendabend haben sich fast verzehnfacht. Angebote wie Spiele- und Werwolfabende, Pub­quizes, Comedy- und Drag-Shows, Vorträge, Film- und Theatervorführungen, sind stark nachgefragt. So stark, dass 2015 eine große Erweiterung des Guggs notwendig war. Heute, sieben Jahre nach dieser Erweiterung, platzt das Gugg aus allen Nähten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass alle Räumlichkeiten gleichzeitig für Teambesprechungen, Veranstaltungen, Beratungen oder als Arbeitsplatz genutzt werden.

Queere Orte werden gebraucht. Die Nachfrage der LGBTIQ Community nach eigenen Räumen ist also da und sie ist größer denn je. Obwohl immer mehr nicht-queere Räume auch für uns offen sind, entdecken viele von uns queere Räume und deren Vorteile wieder neu. Das unter sich sein, das sich nicht erklären müssen, die Selbstverständlichkeiten, die unsere eigenen Räume bieten können, sucht man anderswo vergebens.

Queere Orte geben Kraft – individuell und politisch. Es ist politisch kurzsichtig den Erhalt bestehender und die Schaffung neuer queerer Räume zu vernachlässigen. Denn es sind queere Vereinszentren, Paraden, Sommerlager, Konferenzen, Bars und Clubs, die der beste Nährboden für queere Identitätsfindung, Politisierung und Emanzipation sind. Eine Individualisierung und der Rückzug in zwar queere, aber nicht weniger bürgerliche Kernfamilien kann unsere Community nur schwächen. Ein schwacher Organisationsgrad ist angesichts einer europaweiten wachsenden Rechten brandgefährlich für unsere Community.

Queere Orte sind die Zukunft. Es ist meine Überzeugung, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der österreichischen Community, und allen voran der HOSI Wien, sein wird, Lobbyarbeit für queere Räume zu machen. Das (hoffentlich bald) kommende queere Jugendzentrum, das Wohnprojekt QueerBAU und das neue Zentrum von QWien sind nur der Anfang. Wir müssen weiterdenken. Mehr queere, generationenübergreifende Wohnprojekte, queere Pensionist*innenheime, Kultureinrichtungen, Museen, Gedenk- und Bildungsstätten und mehr Orte wie das Gugg müssen unser Ziel sein. Nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich.

Vieles mag unrealistisch klingen, aber als die HOSI 1980 in die Novaragasse gezogen ist, war auch die Existenz eines Vereinszentrums wie des Guggs unrealistisch. Lasst uns mutig, kreativ und laut daran arbeiten, dass mehr queere Visionen von Queeren Räumen Realität werden.

Viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Lambda

Von Peter Funk

Arbeitsgruppe Internationales
HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)